Samstag, 27. April 2019

Techo Konstruktion - Ein Haus zu Ostern

Letzte Woche wurde in Panama die Semana Santa gefeiert, das bedeutet es gab viele Prozessionen zu den Feiertagen und den ein oder anderen Kreuzweg. Abgesehen von einer Prozession in der Schule, bei der der Leidensweg Jesu in Stationen nachgestellt wurde, habe ich davon allerdings nicht viel mitbekommen, da ich in dem Projekt eines Mitfreiwilligen arbeiten durfte. Die Organisation heißt Techo – übersetzt Dach – und baut Häuser in sogenannten informellen Wohngebieten im Umkreis von Panama Stadt, die man jedoch nur als Slums bezeichnen kann. 
Die Organisation wurde 1997 in Chile gegründet und hat sich seither auf 19 Länder Lateinamerikas ausgebreitet. Ihr Ziel ist ein gerechteres Land mit weniger Armut und Ungleichheit durch den Bau von Häusern und die Vermittlung von Informationen an junge Generationen. Es handelt sich um eine Nichtregierungsorganisation, die von Firmen wie zum Beispiel Porsche gefördert wird. Vor einer Konstruktion wird eng mit einer Wohngemeinschaft zusammengearbeitet, ermittelt, wer die Hilfe am nötigsten hat und welche Mithilfe von Seiten der Gemeinschaft erwartet wird. Erst nach viel Vorbereitung kann eine Konstruktion, wie ich sie erleben durfte, ausgeführt werden. 

Mittwochs habe ich mich nach der Schule also wieder einmal mit gepackten Rucksack in den Reisebus gesetzt und bin kurz darauf in Panama Stadt angekommen. Im Terminal habe ich noch etwas gegessen und bin dann mit dem Freiwilligen, der in der Organisation arbeitet, ins Büro gefahren, welches in der Ciudad dem Saber liegt, ein Stadtteil, in dem viele Unternehmen und Universitäten ihren Sitz haben. 
Nachdem alle rund 90 Freiwilligen zwischen 15 und 35 Jahren eingeschrieben waren, haben wir zum Kennenlernen Speed Dating gespielt und sind gegen neun Uhr abends endlich in den Bezirk Arranhjan gefahren, der rund 30 Minuten vom Stadtzentrum entfernt liegt. Dort wurden wir an einer Schule abgeladen, die für die nächsten Nächte als Schlaflager dienen sollte und haben uns Schlafplätze gesucht. Im Anschluss hatten wir noch eine Aktivität, in der wir unsere Erwartungen an den folgenden Tag diskutiert haben und durften nach dem ganzen Trubel gegen Mitternacht endlich ins Bett. 
Nach nur wenigen Stunden Schlaf wurden wir am Donnerstag um sechs Uhr morgens zum Frühstück geweckt. Daraufhin haben wir eine Simulation gespielt, die das Leben in solchen informellen Gemeinschaften und besonders die Probleme aufzeigte. Danach wurden wir in sieben Gruppen eingeteilt, von denen jede ein Haus bauen sollte. Anschließend sind wir endlich zu der Gemeinschaft gelaufen, die zwar nur 10 Minuten entfernt lag, jedoch eine ganz andere, mir neue Seite Panamas zeigte. 
Alle Häuser waren aus Holzbrettern zusammengenagelt und nur durch Matschwege verbunden. Es gab kaum Sanitäranlagen und wenn, waren diese in furchtbaren Zuständen. Die Wasserleitungen verliefen Kreuz und quer und es lag überall Müll herum, von dem Straßenhunde fraßen.
Trotz dieses Aussehens wurden wir von den Bewohnern sehr herzlich empfangen und sie hatten auch keinen Scham, uns ihre Wohnsituation zu erklären. Anschließend ist jeden Gruppe zu ihrer Familie gegangen, in meinem Fall Señora Kristina, eine ältere Dame mit drei Erwachsenen Kindern, von denen der Sohn zur Polizeischule geht und eine Tochter schon selbst Mutter ist. Sie alle haben bisher in einem Haus von vielleicht 25 Quadratmetern Größe gelebt. 
Bevor wir mit der Arbeit begonnen haben, hat uns die Señora schon ausdrücklich gedankt und mehrmals betont, dass wir ein Geschenk Gottes seien und sie es nicht glauben kann, dass der Herr ihr so schnell geantwortet hat. 

Nach diesen eindrucksvollen Worten ging es auch schon mit der Arbeit los, wozu wir erst einmal die Materialien – Bretter, Wände und Bodenplatten – zur Arbeitsstelle tragen mussten. Nach dem vielen Schleppen habe ich schon deutlich meine Arme gespürt, dabei hatte die eigentliche Arbeit noch gar nicht begonnen. Den ersten Tag haben wir damit verbracht, Löcher auszuheben und Holzbolzen sehr genau zu vergraben. Mir war vorher nicht bewusst, wie genau man dabei arbeiten muss, mit mehreren Metermaßen, Wasserwage und einem Wasserschlauch, um alles auf ein Level zu bringen. Da muss man manchmal auch einen Pfosten ausgraben und von Neuem vermessen . Zum Mittagessen hatten wir erst zwei von 15 Bolzen im Boden, was etwas frustrierend war. Nach der Stärkung (mich hat besonders gefreut, dass jeder seinen eigenen Teller und Besteck mitgebracht hat, sodass endlich mal kein Plastik oder Styropor verwendet werden musste) ging es aber motiviert weiter und bis zum Ende des Tages hatten wir schon über die Hälfte fertig. 

Nach den vielen Stunden Arbeit in der Sonne kamen wir alle verschwitzt zurück in die Schule und haben uns auf eine Dusche gefreut. Dieser Wunsch wurde mithilfe einen Wasserschlauchs erfüllt und einer sehr strengen Timerin, die jeder Person nur eine Minute Wasser gab. Das war zwar etwas stressig aber auch sehr lustig, besonders wenn bei jemandem die Zeit knapp wurde. Nach dem Essen gab es wieder eine Aktivität und danach sind wir alle müde ins Bett gefallen. 

Am nächsten Tag ging das ganze von Neuem los und mit unserer neu gewonnenen Erfahrung vom Vortag konnten wir noch vor dem Mittagessen die Pfosten fertigstellen und sogar schon die Bodenplatten verschrauben. Nach dem Mittagessen haben wir anschließend die Wände befestigt und das bedeutet Sehr. Viel. Hämmern. Mit meiner naiven Kindheitserinnerung vom Hämmern habe ich mich noch darauf gefreut, nach wenigen Einsätzen aber gemerkt, dass die müden Arme dadurch sehr schnell noch müder werden. Besonders wnn man entgegen der Schwerkraft arbeiten muss… Nach einem kleinen Zwischenfall, wo eine noch lose Wand umgekippt ist, konnten wir den Tag letztendlich zufrieden mit allen vier Wänden beenden. 
Am Samstag  ging es schon an die Befestigung der Fensterläden, welche jedoch leider nicht in ihre Rahmen gepasst haben und deshalb auseinandergenommen, zurechtgesägt und neu verschraubt werden mussten. Währenddessen durfte ich mich als eine der leichteren Kandidaten auf die Wand setzen und die Dachbalken befestigen. Das hat mit besonders Spaß gemacht, obwohl sich die Nägel in der Hitze häufig verbogene haben. Anschließend haben wir noch das Wellblech befestigt und die ersten Löcher für das Badezimmer gebuddelt. Normalerweise sind die Konstruktionen nur ein Wochenende lang und werden mit dem Haus abgeschlossen. Durch die Feiertage hatten wir dieses Mal aber Zeit, zusätzlich je rein kleines Badezimmer zu bauen. 
Dieses haben wir am letzten Tag weitergebaut und sind sehr weit gekommen, während die männlichen Helfer meiner Gruppe das Haus gestrichen haben. Wir waren auch echt gut in der Zeit, wurden nach dem Mittagessen allerdings von einem Platzregen überrascht, weshalb wir aus Sicherheitsgründen das Dach nicht fertigstellen konnten (das wird dieses Wochenende nachgeholt. Trotzdem durften wir nachmittags stolz das Haus an Señora Kristina übergeben, die sich darüber unglaublich gefreut hat und vor lauter Dank auch etwas weinen musste. Das war ein sehr emotionaler Moment für uns alle und ich bin wirklich stolz, zu diesem Erfolg beigetragen zu haben und Panamas so zu einem kleinen bisschen mehr Gerechtigkeit verholfen zu haben. 

Die Arbeit in der Wohngemeinschaft hat mit unserem Hausbau begonnen und wird über die nächsten Jahre weitergeführt, bis jede Familie ein Techo Haus besitzt. So soll auch möglicher Neid von den Nachbarn verhindert werden, die auf mich zum Glück auch alle sehr erfreut über unsere Arbeit gewirkt haben und uns über die Tage mit Ojaldra (frittierte Teig, ähnlich wie Langos) und Duro (Wassereis aus gemixten Früchten) versorgt haben. 

Erst auf dem Rückweg zur Schule ist mir aufgefallen, dass ja Ostern ist, und ich habe mich zügig bei meiner Familie gemeldet, die sich schon sehr über mein Schweigen gewundert hatte. Im Gegensatz dazu wurde Ostern von meiner Gastfamilie überhaupt nicht gefeiert, meine Schwester hat sich aber natürlich über die freien Tage gefreut. 

In diesem Sinne wünsche ich allen nachträglich frohe Ostern und bis dann
Eure Sara

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